Fortschritt gibt es nur mit Tradition

23. Juni 2025 in Kommentar


Noch nie hat eine Reform funktioniert, die sich um den Zeitgeist drehte. Jede Erneuerung der Kirche greift auf altes und bewährtes zurück. Das ist auch heute so. Der Montagskick von Peter Winnemöller


Rom (kath.net)

Im Grunde scheint es absurd, die Wallfahrt von Paris nach Chartres hat erneut einen Rekord aufgestellt. Nahezu 20.000 Pilger hatten teilgenommen. Dabei ist das nichts, was man mal so eben macht. Drei Tage und 100 Kilometer zu Fuß. Unterwegs wird gebetet, gesungen und jeden Tag wird die Messe gefeiert und das auch noch in dieser sonderbaren altmodischen Form in lateinischer Sprache, die keiner versteht. Ortswechsel. Ein Pfarrer erzählte von seiner Pfarrei. In dieser treffen sich einerseits junge und moderne geistliche Gemeinschaften, andererseits wird die Heilige Messe in der neuen Form in lateinischer Sprache und ad orientem gefeiert. Man wird es nicht glauben, die Gemeinde verzeichnet gegen jeden Trend eine Zunahme beim Gottesdienstbesuch und zahlreiche Erwachsenentaufen. Auch die jungen Gemeinschaften greifen auf Altes zurück: Beichte, Eucharistische Anbetung und verbinden dies mit neuen Formen des Gebets. Der Lobpreis mag ein E-Piano und eine aufwendige Verstärkeranlage brauchen. Die zeitgenössische Musik mag nicht jeden ansprechen. Doch die Texte sind zum Teil uralt. Erneuter Wechsel der Location. Das Priesterseminar der Petrusbruderschaft meldet von Jahr zu Jahr neue Höchststände bei den Seminaristen. Im vergangenen Jahr gab die Bruderschaft die Zahl der Seminaristen mit 193 an. Und unsere Diözesen?

Man könnte folgende These aufstellen: Zukunft ist nur da, wo man die Tradition hochhält. Aber nicht die Tradition um der Tradition willen. Fruchtbar wird es dort, wo es um den einen, wahren Glauben geht, den es zu bewahren und lebendig zu halten gilt. Nur supertraditionell sein, hilft nicht weiter. Wer der Tradition um der Tradition willen huldigt, wird bald tot und verkrustet sein. Überall dort, wo man in einer lebendigen Tradition den Glauben der Kirche lebt und feiert, überall dort zeigt sich Wachstum. In der Tat ist auch das keine Massenbewegung, aber es ist ein erkennbarerer Trend, der sich fortsetzt und entwickelt. Die Zahl der Erwachsenentaufen in Frankreich steigt von Jahr zu Jahr. Was passiert dort? Man weiß es selbst noch nicht genau, die Religionssoziologen sind einerseits ratlos, beschreiben aber andererseits das Symptom.

Was aus dem Glauben heraus passiert, muss erkennbar authentisch sein. Ist es also die starke Missionsbewegung in Frankreich? Kann sein. Man wird es erforschen müssen. Die Idee jedoch, man müsse die Kirche nur immer weiter an den Zeitgeist anpassen und schon sind die Kirchen wieder voll, erweist sich als ein fataler Irrtum. Der synodale Weg, der sich gerade wie ein Schadwurm durch die Diözesanapparate frisst und dort sein destruktives Werk fortsetzt, führt zu immer mehr Abriss, Niedergang und Glaubensverlust. Wo man auf Sakramente, Katechese und authentische Verkündigung setzt, wo man die Lehre der Kirche in Fragen des Glaubens und der Moral hochhält, da wird die Kirche als Kirche erkannt und geschätzt. Dass sich die äußere Gestalt dabei verändert, ist so selbstverständlich wie das Ticken einer Uhr.

Wir sprechen nicht umsonst von einer Kirche, die sich stets erneuern muss. Ecclesia semper reformanda. Insofern ist der Satz, es bedürfe dringend Reformen in der Kirche, ein Satz, den wohl jeder Kirchenlehrer unterschreiben würde. Egal zu welcher Zeit wir uns die wahrhaft zahlreichen Kirchenkrisen ansehen, immer ging es den großen Kirchenreformern ihrer Zeit darum, die Kirche wieder näher an ihren Ursprung heranzuführen. Insofern ist jede wirklich sinnvolle Neuerung in der Kirche ein Rückgriff auf im Zweifel ältestmögliche Tradition. Der große Irrtum, dem man dabei verfallen könnte, ist zu glauben, nur weil etwas älter ist, ist es zwingend besser. Auch in der Vergangenheit gab es Missstände und Fehlentwicklungen. Auch bei neuen Dingen gibt es wichtige und wertvolle Errungenschaften. Tradition lebt genau dann, wenn sei sich entwickelt. So gibt es sicher genug Grund, an der Liturgiereform nach dem II. Vatikanum Kritik zu üben. Diese Reform ist alles andere als gelungen. Es bedarf der Reform der Reform. Doch eines ist sicher: der Novus Ordo Missae ist eine Form in der man würdig, gültig und fruchtbar für das Heil der Seelen die Heilige Messe feiern kann. Nicht zu bestreiten ist, dass dies auch für das Missale von Johannes XXIII. Von 1963 gilt. Die sogenannte „Alte Messe“ zieht in jüngster Zeit viele junge Menschen an. Das ist auch kein Massenphänomen, aber es ist eine messbare Größe, die man seitens der Kirche weder bekämpfen noch ignorieren sollte. Was sagt der Geist der Gemeinde, wenn es ausgerechnet diese Form ist, die junge Menschen anspricht. Wir sind damit noch lange nicht am Ende. Wer sich zu dieser Form der Liturgie hingezogen fühlt, sollte seine Motivation prüfen. Geht es ihm um eine Vertiefung des Glaubens aus den uralten Quellen dieser Form der Liturgie, dann sollte man sich nicht zieren, sie regelmäßig zu besuchen. Geht es aber nur um Ästhetik oder Latein oder weil man sowieso gegen das II. Vatikanum ist, dann sollte man sich sehr ernsthaft auf die Suche machen, aus welchen Quellen sich derartige Neigungen speisen.

Gleich wie, am Gehorsam gegenüber dem Lehramt der Kirche kommt man nicht vorbei. Selbst die besten Ideen müssen vor der Kirche gestern, heute, morgen und weltweit bestehen können, sonst sind sie wertlos und abzulehnen. Die deutschen Synodalisten, die den Synodalen Weg für eine Synode halten und jetzt alles tun, um mit Hilfe der Apparate in der kirchlichen Verwaltung zeitgeistige Reformen gegen den Heiligen Geist durchzusetzen, sollten sich klar sein, dass sie damit am Ende nur den Untergang ihres Teils der Kirche bewirken und nichts anderes.

Angesichts der derzeitigen massiven Kirchenkrise gilt es insofern, gerade nicht zu verzweifeln oder zu resignieren. Es geht darum die Aufbrüche zu suchen, zu sehen und wo immer möglich zu unterstützen. Gibt es in der eigenen Region noch nichts, dann heißt es Geduld haben und danach suchen, was ich tun kann. Aber eines ist sicher: Aufgeben gilt nicht. Der Kirche ist von Christus Bestand verheißen und sein Wort gilt. Darauf können wir uns verlassen.

Bild oben: Pilger auf dem Weg nach Chartres. Foto: Von David Joyce/  CC-BY-SA 2.0/ wikimedia


© 2025 www.kath.net