„Brosius-Gersdorf hat schon alles gesagt“

16. Juli 2025 in Kommentar


„Die Juristin hat deutlich gemacht, dass sie den Schwangerschaftsabbruch entgegen den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts von 1975 und 1993 außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt sehen möchte.“ Gastbeitrag von Prof. Manfred Spieker


Berlin (kath.net) Die SPD schlägt der Bundestagsfraktion von CDU/CSU vor, die Professorin Frauke Brosius-Gersdorf zu einer Anhörung einzuladen, um die Vorbehalte gegen ihre Wahl zur Richterin am Bundesverfassungsgericht auszuräumen. CDU und CSU können sich darauf nicht mehr einlassen. Was soll Brosius-Gersdorf denn in einer solchen Anhörung noch sagen? Sie hat, zumindest im Hinblick auf den Schwangerschaftsabbruch, doch schon alles gesagt, was in dieser Debatte relevant ist. Ihre Ansichten hat sie in dem 519 Seiten umfassenden Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin der Ampelregierung vom April 2024 deutlich gemacht. Wem dieser Bericht zu lang und zu mühsam ist, der kann sich auf ihre Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages vom 10. Februar 2025 zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs beschränken. Diese Stellungnahme umfasst nur 11 Seiten. Sie ist auf der Homepage des Bundestages abrufbar. 

Darin hat sie deutlich gemacht, dass sie den Schwangerschaftsabbruch entgegen den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts von 1975 und 1993 außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt sehen möchte. Abtreibung sei ein Grundrecht der Schwangeren. Die Tötung eines ungeborenen Kindes sei durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Schwangeren geschützt. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit des Kindes hat für Brosius-Gersdorf bis zur Lebensfähigkeit außerhalb der Gebärmutter kein Gewicht. Abtreibung soll von einer Straftat zu einer medizinischen Dienstleistung werden, die von der Krankenkasse bezahlt wird. Die Beendigung einer Schwangerschaft durch die Frau, so Brosius-Gersdorf, sei kein Unwerturteil über den Embryo. Die Schwangerschaft werde nicht beendet, „weil der Embryo/Fetus als lebensunwert betrachtet wird, sondern weil für die Frau eine Mutterschaft zu dem Zeitpunkt nicht vorstellbar ist“. Erst wenn das Ungeborene außerhalb der Gebärmutter „allein lebensfähig“ ist, habe es Anspruch auf vollwertigen Schutz. Ist das Kind denn nach der Geburt schon „allein lebensfähig“? Brosius-Gersdorf ist für viele Abgeordnete – nicht nur der CDU/CSU – als Verfassungsrichterin nicht wählbar.

Prof. Dr. Manfred Spieker (Link) ist emeritierter Professor für Christliche Sozialwissenschaften am Institut für Katholische Theologie der Universität Osnabrück.


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