Legal töten?

17. Juli 2025 in Kommentar


„Die ‚Abstufung‘ von Lebensrecht meint nichts anderes, als dass man erst auf die richtige Lebensstufe kommen muss, um aus dieser Perspektive ein Recht auf Leben zu erlangen. Das ist ein gefährliches Denken.“ Gastkommentar von Birgit Kelle


Berlin (kath.net) Zwei Dinge zur Lanz-Sendung am Dienstag und den Erklärungsversuchen von #BrosiusGersdorf, die in meinen Augen nicht nur wegen zahlreichen Sachfragen, sondern wegen ihrer grundsätzlichen Haltung zu Bürgerrechten nicht als Bundesverfassungsrichterin geeignet ist:

Wer als Juristin fordert, dass die Tötung eines Ungeborenen im Mutterleib in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft "nicht rechtswidrig", also legal sein soll, spricht dem ungeborenen Kind in genau diesen drei Monaten recht willkürlich Menschenwürde und Lebensrecht ab, denn nur dann darf er es legal töten. Frau Brosius-Gersdorf fordert genau das: Dass es nicht rechtwidrig, also legal sein soll, das Kind im Bauch in den ersten drei Monaten zu töten. Das ist genau so von ihr in einem Rechtsgutachten formuliert und das hat sie auch noch einmal selbst bei Lanz in der Sendung bestätigt. Ihr Argument ist zudem, nur dann könnten die Krankenkassen die Abtreibung bezahlen, dazu später noch ein paar Worte.

Die Tötung im Mutterleib soll also erst ab dem dritten Monat rechtswidrig sein. Ab Tag eins vierter Monat soll das Kind also Mensch sein, vorher nicht, wie ein Kippschalter: Kein Mensch - doch Mensch - kein Mensch - doch Mensch. Medizinisch-wissenschaftlich völliger Nonsens und Willkür, denn warum nicht ab 2. Monat oder ab 6. Monat, oder 7. Monat? Man sieht, es ist viel Kalkül aber keine wissenschaftliche Grundlage für so ein Denken da. 

Es ist aber für den Juristen eine wichtige Sache, denn solange die Behauptung steht, "es ist ja kein Mensch", wird kein Mensch getötet, alles bleibt legal. 

Das Kind kann also erst dann legal in den ersten drei Monaten im Bauch getötet werden dürfen – und das fordert Frau Brosius-Gersdorf – wenn man ihm in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft abspricht, ein Mensch zu sein. Wie macht man das nun argumentativ?

Solange das Kind Mensch ist, darf es nicht getötet werden (rechtswidrig), nach Beratung bleibt die Frau aber nach aktueller Rechtslage im §218 straffrei, was in der juristischen Prüfung immer erst in der Frage der Schuld am Ende die Strafbemessung beeinflusst.

Der Jurist prüft immer: TATBESTAND (Ist ein Mensch getötet worden? - Ja) dann die RECHTSWIDRIGKEIT (War es rechtmäßig oder unrechtmäßig - nach aktueller Rechtslage des §218 : Ja, weil das Kind schon ab Zeugung Mensch ist) und dann kommt immer die Prüfung der SCHULD (Muss die Frau für diese Tötung bestraft werden und wenn ja wie hoch? - Nach aktueller Rechtslage: Gar nicht nach einer bescheinigten Beratung und innerhalb der ersten drei Monaten, weil hier genau die Rechtsgüterabwägung vorgenommen wird, dass das Selbstbestimmungsrecht der Frau doch ebenfalls relevant ist und man ihre Notlage anerkennt. Das ist der Kompromiss, der bislang in Deutschland gilt und in einem mühsamen Tauziehen einst gesellschaftlich und juristisch ausgehandelt wurde. Das Recht sagt aber immer noch: Hier ist ein Mensch getötet worden, das war rechtswidrig, wir verzichten aber angesichts der UMSTÄNDE auf eine Strafe.

Man kann nicht nur, man muss sogar logisch daraus schließen, dass Frau Brosius-Gersdorf bereit ist, dem Kind im Bauch in den ersten drei Monaten das Lebensrecht und die Menschenwürde abzusprechen, denn nur dann kann sie die Rechtswidrigkeit dieser Tat abschaffen und das will sie. Die "Abstufung" von Lebensrecht meint nichts anderes, als dass man erst auf die richtige Lebensstufe kommen muss, um aus dieser Perspektive ein Recht auf Leben zu erlangen. Das ist ein gefährliches Denken. 

Heute reden wir über Lebensrecht ab drei Monaten. Nur als Hinweis: In England galt bis vor Kurzem 6 Monate als Grenze und neuerdings sind es gar 9 Monate. Wer einmal anfängt dem Menschen ein Mindestalter oder ein Mindestgewicht für den Geltungsbereich von Menschenrechten abzuverlangen und die Zuteilung von Menschenwürde Ideologen überlässt, ist bereits auf dem Weg in den Abgrund. 

Frau Brosius-Gersdorf streifte gestern aber auch intensiv die Frage, was die Krankenkassen bezahlen dürfen und was nicht udn beklagte, dass doch die Kassen Abtreibung nicht finanzieren dürften, eben weil diese rechtswidrig seien, es konnte beim Zuschauer der Eindruck entstehen, hier gäbe es eine finzielle Vernachlässigung von Schwangeren in Not, deswegen erst eine Klarstellung: Natürlich bezahlen die Krankenkassen derzeit Abtreibungen, sie bekommen das Geld aber vom Staat, also vom Steuerzahler ersetzt. 

Als Frau gibt man einfach sein Krankenkassenkärtchen ab wie immer und bekommt die Leistung. Es gibt also keinen Handlungsbedarf, keine Unterversorgung oder gar Geldnot für Schwangere die abtreiben wollen: Wir alle bezahlen das über die STEUER.

Warum bezahlen WIR alle das und warum nicht die KRANKENKASSEN? Etwas, das Frau Brosius-Gersdorf explizit bemängelt und ändern will, was sie in der Sendung selbst thematisierte. Die Antwort ist einfach: Sie möchte, dass die Tötung des Kindes im Mutterleib eine normale medizinische Dienstleistung wird wie jede andere auch, also wie Brustvergrößerung, Knie-OP oder Krankengymnastik. Das Töten von Kindern soll also Kassenleistung werden. Und weil das pervers ist, ist es derzeit verboten, denn Ärzte sollen Leben retten und nicht beenden oder gar verpflichtet werden die Kassenleistung "Kindstötung" durchführen zu müssen. Wer einmal das Töten von Kindern zur Ärztepflicht erhebt, wird später auch das Töten von Alten, Kranken oder Schwerbehinderten zur Kassenleistung machen, das nennt man dann Euthanasie und die ist in Deutschland zurecht verboten. Wir sind hier hart an der Anmaßung von Medizinern, Juristen und auch Politikern wieder zwischen "wertem und unwertem" Leben unterscheiden zu wollen und damit kommt man historisch in ein Sumpfgebiet, das gerade Deutsche niemals wieder betreten sollten.

Die Krankenkasse kann also nicht für rechtswidrige Straftaten bezahlen, deswegen läuft die Abrechnung (der Einfachheit halber) über die Kasse, aber die Kassen holen sich das Geld eins zu eins beim Staat wieder. 

Kommen wir zum letzten Punkt: Frau Brosius-Gersdorf forderte nicht nur eine Impfpflicht für Menschen in der Corona Zeit, sondern vertrat ebenfalls die Ansicht, dass Ungeimpfte an ihren eigenen Behandlungskosten in der Krankenkasse beteiligt werden sollen, schließlich sei das eine Solidarkasse. Ungeimpften sollten also Kassenleistungen verweigert werden als Abstrafung dafür, dass sie sich einer unsicheren Impfung widersetzen. Wer sich also nicht impfen lässt und dann krank wird, ist selbst Schuld und soll der Solidargemeinschaft nicht auf dem Geldbeutel liegen.

Abgesehen davon, dass man sich dann im Umkehrschluss die Frage stellen muss, wieso denn die Solidargemeinschaft dann bitte heute die Kosten der Impfgeschädigten bezahlen sollte (war das nicht auch eigenverantwortlich das Eingehen eines Impfrisikos?), ist diese Argumentationslinie insgesamt falsch und zwar egal für welche Krankheit. Wir müssten sonst auch Extremsportlern, Rauchern, Trinkern, Autobahnrasern etc. also allen, die "selbstverschuldet" krank werden, die Leistungen aus der Krankenkasse verweigern und ich denke es ist doch Konsens in der Gesellschaft, dass dies weder solidarisch, noch richtig ist. 

Frau Brosius-Gersdorf möchte also das Töten von Kindern im Mutterleib zu einer Kassenleistung machen, aber auch ungeimpften Kindern und Jugendlichen im Zweifel Kassenleistungen verweigern.

Genau dieser Geist darf niemals im Bundesverfassungsgericht einziehen.

kath.net-Buchtipp:
Birgit Kelle: Muttertier
Eine Ansage
Hardcover, 256 Seiten
2017 Fontis - Brunnen Basel
Auflage: 2. Aufl.
ISBN: 978-3-03848-124-9


© 2025 www.kath.net